Es gibt Wörter, die fliegen einem immer mal wieder am Ohr vorbei, wenn man in der Arbeit mit Kindern tätig ist. Eines davon ist: Resilienz. – „Resi-was?!“ – Resilienz, genau! Es begegnet einem in Sätzen wie: „Dieses Kind hat erstaunliche Resilienzkräfte – und das, obwohl es aus dieser schwierigen Familie stammt!“ oder „Bei Kevin sollte man mal was für die Resilienz tun!“

Aber was bedeutet dieses Wort überhaupt? Wer in der Schule Latein hatte und sich noch schemenhaft daran erinnert, weiß, dass „resilire = abprallen, nicht an jemandem haften“ bedeutet; wer mit Englisch besser zurechtkommt, kennt „resilience“, das mit „Spannkraft, Strapazierfähigkeit“ übersetzt wird.  Auf gut Deutsch: Resilienz ist die Fähigkeit, trotz widriger Umstände seelisch gesund zu bleiben. Man erlebt zwar Krisen, bleibt aber nicht in Seelentiefen stecken; man entwickelt immer wieder Kräfte, um negative Einflüsse von sich abprallen zu lassen und Ideen, um beherzt im Leben weitergehen zu können.

Ja, aber Moment mal: Ist Resilienz denn nicht eine angeborene Kraft – eine Sache der Persönlichkeit?– Ja schon … aber nicht nur!
Die US-Amerikanerin Emmy Werner, die als Pionierin der Resilienzforschung gilt, untersuchte jahrzehntelang die Entwicklung von 700 Kindern auf der Hawaiinsel Kauai. Sie beobachtete speziell die Kinder intensiv, die unter schweren Bedingungen (Armut, Krankheit, traumatische Erfahrungen etc.) aufwuchsen. Dabei stellte sie fest, dass ein Drittel der Kinder über Resilienz verfügte. Doch wie kamen diese Kinder zu diesen besonderen Seelenkräften? Was war es, das diese Kinder von den anderen ihrer Generation unterschied? 

Die resilienten jungen Menschen hatten oft eine ruhige, freundliche Wesensart, die offen gegenüber anderen war – siehe da: eine angeborene Eigenschaft, ihr Temperament! Die Forscherin stellte aber zudem fest, dass es bei jedem dieser Kinder noch eine Besonderheit gab: Sie hatten alle eine stabile Beziehung zu einer Vertrauensperson. Diese Person konnte ein Familienmitglied oder jemand außerhalb der Familie sein: eine Nachbarin, die Zeit hatte, liebevolle Eltern von Freunden oder ein Jugendbetreuer.

Zusätzlich mussten diese Kinder früh Verantwortung übernehmen. Sie mussten praktisch mit anpacken, waren aber offensichtlich den Anforderungen gewachsen. Im Alter von etwa zehn Jahren verfügten sie über bessere Fertigkeiten bei der Lösung praktischer Probleme als nicht resiliente Kinder. Sie waren aufgeschlossen und konnten als Jugendliche realistisch einschätzen, welche Umstände unbeeinflussbar sind und welche Probleme man durch aktives Gestalten und Handeln bewältigen kann.

Fakt ist also: Es gibt angeborene Faktoren, die es einem Kind erleichtern, resilient zu sein. Aber: Jedes Kind – egal mit welcher Prägung und welchem Temperament – hat die Chance, resilienter zu werden! Und genau diese Tatsache ist spannend für jeden von uns, der mit Kindern das Leben teilt und ihnen helfen will, dass sie Lebensmut, Spannkraft und innere Stärke entwickeln – egal, ob sie auf Hawaii, bei Hannover oder in Hintertupfingen wohnen.

Hier ein paar Erfahrungen und Tipps, wie wir Kinder dabei unterstützen können, dass ihre Stressbewältigungs-Kompetenzen gefördert werden:

  • Eine wertschätzende und unterstützende Bezugsperson sein: Zeit haben, Interesse an den Gedanken und Aktivitäten und Gedanken der Kinder zeigen.
  • Mit dem Kind herausfinden, wo seine Stärken liegen und diese fördern.
  • Sie ermutigen, Gefühle – positiver wie negativer Art – zu äußern, damit das Kind den Umgang mit Emotionen lernt.
  • Freiräume gewähren UND altersgemäße Grenzen setzen.
  • Mit Regeln und Ritualen Verlässlichkeit bieten
  • Lernen als etwas Positives vermitteln – nicht als mühseliges Mittel zum Zweck; Neugier und Interesse schüren.
  • Helfen, erreichbare Ziele zu setzen; keine vorschnellen Hilfen oder vorgefertigten Lösungen anbieten, Erfolgserlebnisse ermöglichen.
  • Vorleben, wie man Krisensituationen im Alltag bewältigt.
  • Ihnen vermitteln, dass sie wertgeschätzte Mitglieder einer Gruppe sind und etwas zum Zusammenleben der Gemeinschaft beitragen können: Sie „kleine Ämter“ oder Verantwortung für einen Aufgabenbereich übernehmen lassen.
  • Sie unterstützen, soziale und tragende Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen.
  • Mit ihnen lachen! Ihnen zeigen, dass man schwierige Situationen auch mal aus dem Blickwinkel eines gesunden Humors heraus betrachten kann.
  • Die Zukunft positiv in den Blick nehmen: Chancen sehen, Gestaltungsideen entwickeln.

All diese Impulse lassen sich in unterschiedlichsten Artikeln und Büchern finden; ich bin aber froh, dass wir den uns anvertrauten Kindern noch mehr mitgeben können: Wir können ihnen den lebendigen, mitgehenden Gott vorstellen!

Die Bibel ist voll von Berichten, in denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen stecken. Fallen uns spontan ein paar ein? Na klar: Noah und die Sintflut, Mose mit den Ägyptern im Nacken, David vor dem riesigen Goliath, Jona im Fisch, Daniel in der Löwengrube und seine Freunde im Feuerofen, die vielen Kranken im Neuen Testament …

Einerseits bekommen die Kinder bei diesen Erzählungen geschildert, was für interessante Handlungsmethoden jeder Einzelne dieser Personen entwickelt: da hämmert einer eine Arche zusammen, da flieht einer durch ein zurückgewichenes Meer, da blickt einer dem deutlich Größeren gelassen ins Auge, da singt einer im dunkel-stinkigen Fischbauch und da ruft ein Blinder lautstark um Hilfe. Den Kindern wird dabei aber auch klar: das alles können und machen diese Menschen nur, weil sie wissen, dass Gott ganz nahe bei ihnen ist – und weil Gott überhaupt erst jede dieser Handlungen ermöglicht.

Was für ein Segen, wenn wir das den Kindern mitgeben können: Mag das Leben auch noch so anstrengend werden – Gott lässt uns nicht im Stich. Er ist so, wie er sich selbst Mose am Dornbusch vorgestellt hat: „Ich bin da und ich werde da sein“. (2.Mose 3,14) Mögen Bezugspersonen auch schwanken, mag das Leben auch noch so viele Herausforderungen und Schicksalsschläge bereithalten – Sie kennen dann einen, von dem sie wissen: Dieser Gott, der sich in seiner ganzen Liebe in Jesus gezeigt hat, ist bei mir und für mich! Er sieht mich und hat unzählig viele Möglichkeiten, meiner Seele immer wieder Mut zu machen und meine Lebensumstände für mich und mit mir zusammen zu gestalten. Mit diesem Wissen kann man getrost im Leben Schritt für Schritt nach vorne gehen!

Ruth Scheffbuch
Landesreferentin für die Arbeit mit Kindern bei den Apis, dem Ev. Gemeinschaftsverband Württemberg

Erschienen im Magazin 02/2019
Titelbild: Shutterstock/Oksana-Mizina

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